Ein neues Schulexperiment zum Chaos Das Pohlsche Pendel mit Unwucht Experimentell steht uns im Physikunterricht als bester und kontrollierbarster
Oszillator das Pohl-Pendel zur Verfügung. Sowohl die Anregung als
auch die Dämpfung dieses Drehpendels lassen sich stufenlos und genau
regulieren.
Die Nicht-Linearität ist dabei um so größer, je näher
das Pendel dem kritischen Punkt bei
Hier verweilt das System nur kurze Zeit auf einer Seite, springt dann auf die andere Seite und danach mehrmals unkontrolliert hin und her:
Beim nächsten Experiment springt das Pendel regelmäßig zwischen den beiden Potentialmulden hin und her:
Erst hier sieht man einen stabilen Zweierzyklus, der den Beginn des
Feigenbaum.Szenarios markiert:
Die Beobachtung stabiler Vierer- oder gar höherer Zyklen gelingt fast nicht. Abhilfe schafft eine Idee, die auf James S. Walker zurückgeht (P.A.
Tipler, Physik, Spektrum-Verlag Heidelberg): Dort wird im Essay „Chaos"
der so genannte „Benderoszillator" beschrieben:
Ein Federpendel soll zu erzwungenen Schwingungen angeregt werden, wobei
im Nullpunkt der Bewegung eine ideal reflektierende Barriere angebracht
wird. Die von Walker angeführten Berechnungen zeigen, dass das System
tatsächlich Chaos zeigt. Als experimentelle Anleitung sind die Skizzen
aber kaum gedacht. Ich habe diesen „Reflexoszillator" daher mit Hilfe des
Pohl-Pendels verwirklicht:
In den Nullpunkt setze man als Reflektor eine der Federn, die normalerweise
die Amplitude des Pendels begrenzen. Die unten beschriebenen Erscheinungen
lassen sich am besten bei kräftiger Anregung und relativ starker Dämpfung
beobachten. Ich habe daher die Exzenterstange verlängert und sie weiter
oben in einer zusätzlichen Bohrung der Antriebsstange befestigt. Man
kann dafür einfach ein Stück Gewindestab nehmen. Die Experimente
wurden mit einem Dämpfungsstrom von ca. 0.8A gemacht.
Zur Theorie des Pohlschen Stossoszillators Das Stosspendel ist dadurch gekennzeichnet, dass das rücktreibende
Moment auf der einen Seite wesentlich größer ist als auf der
anderen. Experimentell ergab sich für die beiden Direktionsmomente
Hier das dazugehörige Moment in Abhängigkeit von j : (f55) Hier wie im Folgenden wurde von der Funktion UnitStep[x] Gebrauch gemacht, die im MATHEMATICA-Package „DiracDelta" definiert ist. Mit ihr hat man die Möglichkeit, Sprungfunktionen und Unstetigkeiten sowie deren Ableitungen in MATHEMATICA analytisch zu behandeln. Man definiert die DGL des erzwungenen Stossoszillators:
und setzt die experimentellen Werte ein:
Die Ergebnisse zeigen, wie das System bei steigender Anregungsfrequenz
in „klassischer" Weise über Periodenvervielfachungen ins Chaos gerät:
Das Bifurkationsdiagramm ( Die Scheitelwerte von f über k = w/w0) zeigt neben den regulären Bereichen in der Nähe der Vielfachen von w0 eine Folge von chaotischen Bändern, die durch immer größere Komplexität gekennzeichnet sind:
Beim Übergang in das erste chaotische Band läßt sich auch wieder die Universalität der Feigenbaumkonstante ablesen:
Ebenso läßt sich die Sensibilität nachweisen, d.h. die extreme Empfindlichkeit eines chaotischen Systems für kleine Änderungen der Anfangswerte. In den folgenden Beispielen wurde das Stoßpendel für ca. 15 Sekunden durchgerechnet, jeweils für die beiden leicht unterschiedlichen Anfangswerte f(0)= 0 und f(0) = 0,005. Im chaotischen Bereich (w/w0 =1.5) ist nach etwa 10 Sekunden keine Ähnlichkeit des Zeitverlaufs mehr erkennbar:
Experimentelle Ergebnisse am Pohlschen Stossoszillator Neben den oben genannten kleinen Änderungen am Pohlpendel ist für
das Gelingen der Experimente wichtig, die Störungen des Systems durch
die Registrierung der Auslenkung möglichst gering zu halten. Ich habe
die folgende sehr preiswerte opto-elektronische Methode gewählt, die
sich mit Erfolg auf andere ähnliche Fälle anwenden lässt:
Am inneren Kupferrad des Drehpendels wurde ein Pappsegment aufgeklebt,
das bei der Bewegung eine rechteckige Blende mehr oder weniger abdeckt.
Die Blende befindet sich beim Experiment zwischen einer Glühlampe
und einem Projektionsobjektiv, das die Blende auf einen Phototransistor
abbildet. Der Spannungsabfall am Transistor wurde in der dargestellten
Weise direkt auf einen x-t-Schreiber gegeben. Die aufgezeichneten Spannungen
sind bei dieser einfachen Schaltung natürlich nicht exakt proportional
zur Auslenkung des Drehpendels. Das stört bei diesem Experiment aber
nicht, da es hier nicht auf die exakte Bahnform ankommt, sondern im wesentlichen
auf die Periode der Schwingungen. Mit geringfügig höherem elektronischem
Aufwand kann man natürlich auch diese Proportionalität erreichen.
Die folgende Messreihe zeigt, wie das Pohlsche Stosspendel bei steigender Anregungsfrequenz nach dem „Feigenbaum-Szenario" über Periodenvervielfachungen ins Chaos gelangt. Die beobachteten Frequenzen stimmen dabei gut mit den Rechnungen überein. So lassen sich die Periodenverdopplung und die Periodenvervierfachung sehr reproduzierbar beobachten, was sonst nur bei wenigen mechanischen Systemen gelingt. Bei der Periodenverachtfachung ist man auch hier an der Grenze der Leistungsfähigkeit der Anordnung angelangt. Wie die Theorie zeigt, müsste man hierzu zuverlässig eine Frequenzstabilität des Antriebs von besser als 30/00 garantieren. w/w0 =1.06 ; Theorie für regulären Bereich : w/w0 < 1.345
w/w0 =1.37 ; Theorie für
Periodenverdopplung :1,345< w/w0
< 1,395
w/w0 =1.407 ; Theorie für Periodenvervierfachung :1,395< w/w0 < 1,408
w/w0 =1.42 ; Theorie für Periodenverachtfachung: 1,408< w/w0 < 1,412
w/w0 =1.51 ; Theorie für das erste chaotische Band: 1,41 < w/w0 <1.7
Leider leistet der Antrieb in der vorliegenden Form keine höheren Frequenzen, die notwendig währen, um die andere regulären Bereiche und chaotischen Bänder beobachten zu können. Wie die Rechnungen erkennen lassen, treten in diesen Bereichen potentiell sehr interessante Phänomen auf: Trifurkationen und Bistabilität, die sich dadurch zeigt, dass stabile Äste plötzlich verschwinden. Eine genauere Untersuchung dieser Phänomene wäre wahrscheinlich sehr lohnend! Fazit:
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