Von Wilhelm Methfessel

Nachruf auf
meinen Freund Achim

Ich hatte einen Kameraden, einen besseren gab es nie.

Mehr als 20 Jahre währte unsere Freundschaft. Bergkameraden und Freunde waren wir.

Kennengelernt haben wir uns 1980 im Klettergarten am Stenzelberg. Wir waren vom Bergsteigen begeistert, und dafür haben wir zusammen trainiert. Auch menschlich haben wir uns gleich verstanden.

So ist es verständlich, dass wir in 1981 die erste gemeinsame Bergtour planten. Wir trafen uns in Zermatt, im Eldorado für Bergsteiger. Gleich die erste Tour ging hoch hinaus, auf den Castor 4.228 m – ohne Bergführer, wohl vermerkt.
Auf dieser Tour lernte ich Achim erst richtig kennen.

Achim war zuverlässig, besonnen, hilfsbereit, anspruchslos, ausgeglichen und Kamerad durch und durch. Wenn es mir schwer fiel, hat er unser Seil auch alleine getragen. Den letzten Tropfen Tee und das letzte Stück Brot haben wir miteinander geteilt.

Seinen manchmal etwas bissigen Humor hat er nicht mit in die Berge genommen.

Seit der Castorbesteigung waren wir eine Seilschaft für mehr als 20 Jahre, die ihres Gleichen suchen sollte. Wir haben versucht, die Berge in den Alpen zu besteigen – nicht zu erobern – mit Ski im Winter und zu Fuß im Sommer. Einen Berg kann man nicht erobern, man muss dankbar sein, wenn er sich besteigen lässt. Bei den Versuchen ist es nicht geblieben. Wir waren vielmehr überaus erfolgreich.

So haben wir gemeinsam über 100 Gipfel bestiegen, davon 40 mit einer Höhe von mehr als 4.000 Metern. Erfolgreich die Klassiker wie Dufourspitze, Weisshorn, Grand Combin, Signalkuppe, Zumsteinspitze, Dom, Dent Blanche, Obergabelhorn, Zinalrothorn, Mönch, Großglockner und wie sie alle heißen. Jede erfolgreiche Gipfelbesteigung war ein besonderes Erlebnis. Ein Händedruck und eine kameradschaftliche Umarmung und dann in aller Stille die Schönheiten der Berge genießen.

Abends auf der Hütte wurde der Gipfelerfolg bei einer Flasche Rotwein zünftig gefeiert.

Von unseren Bergerlebnissen zehrten wir im Alltagsleben und freuten uns auf den nächsten Urlaub.

Die Gespräche beim Hüttenauf- und abstieg sind unvergesslich, Achims überaus großes Wissen war beeindruckend. Und abends vor der Hütte haben wir zu den Sternen geschaut. So waren wir den Sternen und der Unendlichkeit nah. Achim erklärte die Sterne, die Herkunft, die Entfernung zu unserer Erde, die Umlaufbahn und fand in mir einen begeisterten Zuhörer.

Bei einem Hüttenaufstieg wollte Achim mir unbedingt die Relativitätstheorie von Einstein beibringen – vergeblich.

Jeder hat das seine zum Erfolg beigetragen. Mit Achim konnte einfach nichts schiefgehen. Es war blindes Verstehen und gegenseitiges Vertrauen.

Auch beim Abbruch einer Tour gab es keine Missverständnisse.

Wenn es das schlechte Wetter erforderte, brachen wir die Tour ab.

Wir wollten ja immer gesund zu den Unsrigen zurückkehren.

Unsere Devise lautete „kein Risiko“. Es galt kein „es wird schon gutgehen“.

Unsere letzte Skitour ging ins Trentinogebiet – genauer zum Adamello und seine Umgebung, eine Landschaft, in der auch der 1. Weltkrieg tobte und es auf einer Größe von nicht einmal 300 qkm mehr als 15.000 Tote gab. Als wir auf der Madronhütte diese Geschichte erfuhren, waren wir überaus beeindruckt und traurig. Wurden doch die Berge für Machtansprüche der Politiker missbraucht.

Auf dieser Tour hatte ich gesundheitliche Probleme, so dass wir unser gestecktes Ziel nicht erreicht haben. Achim sagte nur „wir kommen wieder“.

Ich hätte nie geglaubt, dass dieses unsere letzte Tour sein sollte. Hatten wir doch die höchsten und schwierigsten Berge in den Alpen bestiegen. Und nun hat ein Ausrutscher auf einem Wanderweg an der Ahr alles beendet.

Ich bin überaus traurig und doch dankbar, dass ich mit Achim zusammen so großartige Erfolge und Erlebnisse feiern konnte – mit meinem Freund Achim und sonst niemanden.

Ich hatte einen Kameraden, einen besseren finde ich nicht mehr.
Nun nehme ich in einer schweren Stunde Abschied von meinem besten Freund und Bergkameraden.
 

Dein Freund Willi